Optische Qualitätskontrolle

Andreas Mühlbauer,

Qualität millionenfach sichtbar gemacht

Wie prüft man die Qualität von zehn Millionen Kunststoffteilen pro Jahr? Bis vor kurzem geschah dies in Handarbeit, nun erfolgt der Vorgang dank einer cleveren Prüfanlage automatisch. Herz der Anlage sind zehn CX-Kameras von Baumer.
Zwei CX-Kameras erfassen von oben in der ersten Prüfbox die Lage der Steckdosenplatten sowie ihre Artikelnummer – zwei Teile alle 3,67 Sekunden. © Aumo

Am Anfang steht stets ein weißes Blatt Papier. Darauf skizziert der Kunde seine Anforderungen – eine Anlage zur Qualitätsprüfung vielleicht, einen Montageautomaten oder eine andere Sondermaschine. Daraus entwickeln die Ingenieure von Aumo ein Konzept, eine Konstruktion, und am Ende dieses Prozesses steht eine fertige Anlage mit Komplettservice wie Inbetriebnahme sowie Wartung. „Wir bauen ausschließlich Einzelanfertigungen“, sagt Ben Rösler, Projekt- und Vertriebsleiter bei dem Anlagenbauer in Radebeul und Sohn von René Rösler, der die Firma 1990 in der heutigen Form begründete und auch leitet. Zu den Kunden gehören vor allem Automobilhersteller und deren Zulieferer, die Luft- und Raumfahrtindustrie, Kunststoffverarbeiter sowie Hersteller von Erzeugnissen des Maschinenbaus, der Medizintechnik oder Halbleiterindustrie.

Einfaches Teil, komplizierte Prüfung

Ein erfahrenes Unternehmen ist SchoPlast Plastic, die 1992 gegründet wurde, aber auf einen volkseigenen Betrieb aus den frühen 1970ern zurückgeht. Für den erfolgreichen Produzenten von überwiegend duroplastischen Kunststoffteilen für Elektroinstallationen in Bischofswerda entwickelte Aumo eine Anlage zur Qualitätskontrolle von Zentralplatten für Steckdosen. Diese sind in jedem Haushalt dutzendfach zu finden. Die sichtbare Platte, welche der Elektroinstallateur in großen Stückzahlen verbaut, muss nach dem Herstellungsprozess eine aufwendige Inspektion durchlaufen, da der Premiumkunde außerordentlich hohe Qualitätsansprüche an diese überall sichtbaren Abdeckungen stellt. Dazu gehören die Abmessungen und die präzise Einhaltung der Außenkonturen. Besonders anspruchsvoll gestaltet sich die Erkennung kleinster Oberflächenfehler wie Kratzspuren und Unreinheiten.

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In der zweiten Prüfbox sind Kameras und Beleuchtung schräg angeordnet. Fehler auf der Oberfläche der Steckdosenplatten zeigen sich durch den Schattenwurf. © Aumo

Zehn Millionen dieser Zentralplatten stellt SchoPlast pro Jahr her, und jede einzelne wurde bisher mit Hand und Auge inspiziert – ein enormer Aufwand und der eigentliche Anlass, Menschen von dieser anstrengenden Aufgabe zu entlasten und diese zukünftig einer Maschine zu überlassen. Daher wurde Aumo angefragt, ob sich diese Aufgabe nicht automatisieren lasse. Die Anlage, welche nun seit April 2018 bei SchoPlast läuft, fördert je Takt zwei Zentralplatten aus einem Behälter und legt sie nebeneinander auf ein komplexes Transportsystem. Danach durchlaufen sie mehrere Stationen, in denen sie geprüft werden. Außer zwei taktilen Messungen zur Bestimmung der Materialstärke und des sogenannten Topfmaßes erfolgen alle anderen Prüfungen bildbasiert. Dazu gibt es vier Messboxen mit insgesamt zehn Kameras und diversen Flächen- und Ringlichtquellen als Auf- oder Durchlicht. Zwischen den Boxen werden die Teile automatisch verschoben und gewendet, um alle Seiten zu kontrollieren. Am Ende dieses Prüfprozesses werden die Zentralplatten sortiert nach Gutteilen beziehungsweise Fehlerart ausgegeben.

Offenes System bevorzugt

Zum Erfolg der Automatisierungslösung tragen auch die zehn Kameras von Baumer bei. Ein Grund dafür ist unspektakulär: Das Vision Competence Center von Baumer liegt nur 25 Fahrminuten von Aumo entfernt. Baumer nutzt für den Bau von Fertigungs- und Prüfplätzen Profilsysteme und Komponenten von Aumo, man kannte und vertraute sich also. Doch es gibt noch weitere Gründe. „Wir haben bewusst nach einem offenen System gesucht, das standardisierte Anschlüsse für Objektive und Datenleitung besitzt und Graubilder ausgibt“, betont Rösler. „Andere Hersteller bieten nur Komplettsysteme an, das war uns zu unflexibel.“

Mit mehr als 90 Modellen bietet die CX-Serie von Baumer GigE- und USB-3.0-Kameras mit modernen Global- und Rolling-Shutter-CMOS-Sensoren. © Baumer

Perfekt passte dagegen das USB-3.0-Modell VCXU-53M von Baumer mit Anschlussmöglichkeit für ein 35-mm-Objektiv und einer Blendenöffnung von 1,4. Die Kameras nutzen einen Python 5,3-Megapixel-Global-Shutter-Sensor von ON Semiconductor und liefern mit bis zu 73 Bilder pro Sekunde eine ausgezeichnete Bildqualität. In der Anlage bei SchoPlast nehmen die Kameras alle 3,67 Sekunden ein Bild mit einer Belichtungszeit zwischen 0,125 und 0,5 Millisekunden auf. Die Kameras liefern ihre Daten an zwei Industrie-PCs, die auch die Beleuchtung steuern. Auf den Rechnern läuft eine von Aumo entwickelte Software zur Auswertung. Die Ergebnisse fließen direkt in das Qualitätsmanagementsystem bei SchoPlast. Auch nach Jahren lassen sich die Messergebnisse noch abrufen, etwa falls es später einmal zu einer Häufung von Defekten kommen sollte.

Nicht nur für die Prüfanlage bei SchoPlast setzt Aumo die VCXU-53M ein. Mittlerweile arbeiten die Kameras von Baumer noch in Anlagen für zwei weitere Kunden zur Erkennung von Konturen an Werkstücken. „Wir haben uns für dieses Kameramodell entschieden, da es genau das bietet, was wir benötigen“, sagt Rösler.

Temperatur im Griff

Zwei Wendeeinheiten drehen die Steckdosenplatten, damit auch die Rückseite kontrolliert werden kann. © Aumo

Unter anderem verfügen die Kameras über ein exzellentes Temperaturmanagement. Vor der Inbetriebnahme hatte man die Sorge, dass die Kameras in dem regelrechten Blitzlichtinferno in den Messboxen zu heiß werden und die maximal zulässige Betriebstemperatur von 65 °C überschreiten könnten. Die Diagnosedaten zum Betriebszustand, die jede Kamera laufend übermittelt, geben aber Entwarnung. Die Temperatur erreicht maximal 56 °C. Damit war auch das Thema aktive Kühlung vom Tisch, die die Anlage komplizierter und teurer gemacht hätte.

„Der Projektleiter von SchoPlast war ziemlich erstaunt über unsere clevere Lösung“, sagt Rösler. „Wir wollen nicht einfach unsere Lösung verkaufen, sondern betrachten die Anforderung des Kunden immer aus seinem Blickwinkel.“

Nicole Marofsky und Volker Zipprich-Rasch, Marketing Communication im Vision Competence Center von Baumer / am

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