Industrieroboter
Trend zur Zelle
„Wo is des Göld des wos überall föhlt“ singt Hubert von Goisern in seinem diesjährigen Wiesn-Hit „Brenna tuats guat“ – anzuhören zum Beispiel auf Youtube, Übersetzung auf Wunsch erhältlich beim Verfasser. Mit der sozialkritischen Rock-Musi passt der Sänger aus dem Salzkammergut so gar nicht in das Bild, das die österreichische Tourismus-Industrie gerne von der Region zeichnet und das die meisten Touristen erwarten: Herz-Schmerz-Volksmusik, hohe Berge und 76 Seen, zünftiges Brauchtum, kräftige Schnapserl und kulinarische Schmankerl.
Doch das Bild der gemütlichen Region, stimmt keineswegs. Bereits vor dreitausend Jahren trieben die Kelten tiefe Stollensysteme zum Salzabbau in die Gesteinschichten des Salzkammerguts. Einen Monat dauerte es, um einen Stollen um einen Meter vorwärts zu treiben - 4000 Meter umfassen die heute bekannten Salzstollen der Kelten. Und heute ist Oberösterreich eines der wichtigsten Zentren der österreichischen Industrie und erwirtschaftet mehr als ein Viertel der Exporte der Alpenrepublik. Metall- und Automobilindustrie sowie Maschinen- und Anlagenbau spielen weit gewichtigere Rollen als der Tourismus, der rund 15 Prozent zum Brutto-Regionalprodukt des Landes beiträgt.
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Klare Grenzen definieren
Hier - genauer gesagt in Roitham - ist Promot Automation ansässig. Das Unternehmen ist einer der führenden Hersteller von Automatisierungslösungen für Werkzeugmaschinen. Seit der Gründung 1980 hat es über 3800 Projekte realisiert und ist auf die Automatisierung von Werkzeugmaschinen in der zerspanenden Fertigung spezialisiert. Das Unternehmen, das aktuell über 200 Mitarbeiter beschäftigt und einen Umsatz von rund 38 Millionen Euro erzielt, bewegt sich heute äußerst erfolgreich auf dem Markt. "Schwerpunkt ist die Werkstückhandhabung, in den Geschäftsfeldern Paletten- und Werkzeughandhabung sehen wir sehr gutes Wachstumspotential. In der Krise 2009 haben wir die Zeit genutzt, uns strategisch und produktseitig neu zu positionieren. In dieser Zeit haben wir auch die Modulbaukästen für die Paletten- und Werkstückhandhabung entwickelt.", sagt Martin Waldl, Geschäftsführer und Vertriebsleiter Werkstückhandhabung. Mit der Werkstückhandhabung ist das Unternehmen typischerweise in der Serienfertigung der Automobilindustrie unterwegs. Bei der Paletten- und Werkzeughandhabung sind die Kunden dagegen die klassischen Maschinenbauer. Und Westeuropa - beziehungsweise die DACH-Region - ist auch hauptsächlich der Markt der Oberösterreicher.
Der zweite Schritt der Strategieänderung betraf die Marktansprache. „In der Vergangenheit waren wir auch sehr stark kundengetrieben“, erklärt der Geschäftsführer. „Im Zuge unserer Positionierung und Spezialisierung auf die Automatisierung von Werkzeugmaschinen und die zerspanende Fertigung mussten wir klare Grenzen definieren, damit wir uns in dem sehr breiten Tätigkeitsfeld der Automatisierung nicht verzetteln. Wir müssen da eher auf die Bremse treten, um unsere Stammkunden zufrieden zu stellen und zugesagte Liefertermine einhalten zu können.“ In allen drei Sparten stehen den Kunden von Promot heute standardisierte Modulbaukästen zur Verfügung. Aus erprobten und standardisierten Modulen können trotz hoher Standardisierung individuelle und flexible Systemlösungen nach Kundenanforderung konzeptioniert und angeboten werden. Darin liegt der wirkliche Kundennutzen hinter der Philosophie Modulbaukästen.
Der Trend der Standardisierung macht auch vor der Automatisierung nicht halt. „Viele unsere Kunden haben über die letzten Jahren bereits einen hohen Standardisierungsgrad bei den Werkzeugmaschinen in der Fertigung umgesetzt. Aber die Standardisierung bei der Automatisierung und Verkettung wurde oft nicht so hoch gewichtet und die Automatisierung sieht daher jedes Mal anders aus. Das wurde erkannt und davon möchten viele unsere Kunden weg“, meint Waldl.
Das Unternehmen schaut sich zunächst immer zuerst die gesamte Prozesskette an. Erst dann wird die optimale Lösung vorgeschlagen. Das geht von der Einzelzelle, über Verkettungen bis hin zur kompletten Materialflusslösung nach Lean Kriterien. Wobei aber immer jedes Layout und Anlagenkonzept aus standardisierten Komponenten aufgebaut wird. So werden die Herstellkosten der Kunden gesenkt. Waldl: „Am Ende geht es um die Wirtschaftlichkeit, also um die „Kosten Pro Teil“ für den Kunden.“
Dies betrifft auch das eigene Haus. „In der eigenen Fertigung haben wir durch den Einsatz unseres Palmasters die Kosten pro Teil um bis zu 50 Prozent reduzieren können“, berichtet Waldl stolz. „Durch die Standardisierung der gesamten Prozesskette, angefangen bei Werkzeugen und Spannmitteln bis hin zu den Prozessschritten, können die Kosten und Durchlaufzeiten der Werkstücke meist erheblich reduziert werden.“
Differenzierter Variantenvergleich
Im Normalfall arbeitet das Unternehmen in der Angebots- und Konzeptphase mehrere Varianten aus, um dem Kunden alternative Möglichkeiten aufzuzeigen. Vor allem, wenn die Aufgabenstellung komplex ist, gibt es meist mehrere Möglichkeiten, diese zu lösen. "Dann stellen wir dem Kunden beispielsweise eine Variante mit einem Portalroboter und einer Roboterzelle vor und zeigen ihm im Vergleich die Vor- und Nachteile auf. An Hand unseres Variantenvergleichs und unter Berücksichtigung seiner Rahmenbedingungen kann der Kunde dann seine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung machen", erklärt der Vertriebsspezialist. Dabei beobachtet Waldl in manchen Kundensegmenten einen zunehmenden Trend zu den Roboterzellen. Denn immer häufiger ist für die Kunden die hohe Flexibilität, die ein Roboter bietet, ausschlaggebend: Der Roboter kann neben der Be- und Entladung der Werkzeugmaschine auch Zusatzaufgaben übernehmen.
Im Geschäftsfeld Werkstückhandhabung differenziert man deshalb die Modulbaukästen: Es gibt einen eigenen für Portalroboter und einen für Roboterzellen. Gerade im Segment der Roboterzellen sieht man im Unternehmen das Potential, einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil durch Standardisierung zu generieren. Wobei Promot mit der Herangehensweise an die Standardisierung auf Komponentenebene nicht die Flexibilität oder Vielseitigkeit des Roboters in der letztendlichen Applikation einschränkt.
Doch der Modulbaukasten bezieht sich nicht nur auf die Mechanik, sondern auch auf die Steuerung und die Software. Der Spezialist bietet beispielsweise bei der Portaltechnik drei Steuerungskonzepte mit dem fertigen Softwarebaustein an. "Und bei einer Roboterzelle setzen wir immer auf eine Zellensteuerung", erläutert Waldl. "Damit trennen wir die Ablauf- und die Bewegungssteuerung. Somit können wir den Roboter quasi als Maschinenbauelement betrachten und Roboter jedes Herstellers problemlos integrieren." Doch in den meisten Fällen setzt der österreichische Automatisierungsspezialist auf Roboter von Kuka. "Das hat sich durch unsere Kundenstruktur zwangsläufig so ergeben" begründet Waldl, "und wir sind sehr zufrieden mit Kuka-Robotern." Die Zuverlässigkeit der Roboter ist sehr wichtig denn letztendlich trägt der Systemintegrator das gesamte Risiko und nicht der Roboterhersteller. Waldl: "Unsere Anlagen laufen typischerweise sehr lange, manche über 20 Jahre."
Schnelle Inbetriebnahme
Der Kundennutzen der Zellensteuerung liegt in der schnellen Inbetriebnahme und einfachen Anlagenbedienung. „Bei unseren Roboteranlagen bekommt der Kunde die gleiche und einfache Bedienoberfläche die von unseren Portalrobotern bekannt ist. Damit benötigt er kein speziell robotergeschultes Personal für die Anlagenbedienung“, erläutert Waldl.
Beim abschließenden Mittagessen mit Spezialitäten aus der Region, wie Holzknechtnockerln (Knödel in Schmalz), Reinanke (regionaler Fisch) und Behn Muas (Beerenmus) meint Martin Waldl speziell zum Thema Sechsachsroboter: "Zwei Kernthemen beim Roboter beobachten wir: Das ist einmal der Roboter ohne Schutzzaun und das ist das Thema Griff aus der Kiste. An beiden Themen wird überall entwickelt, und es wird interessant, ob da der große Durchbruch gelingt oder ob das wieder verschwindet. Am Ende wird die Wirtschaftlichkeit entscheiden. Sollte es gelingen, könnte das bei Automatisierungslösungen und den Werkzeugmaschinenrobotern einen Schub auslösen, denn die gängige Magazinierung und die gesamte Ausführung der Systeme würde dann anders aussehen." hs